top of page

FALL:

Absturz bei Übung-Schachtrettung

EREIGNIS

Während des Übungsdienstes sollte der Einstieg in einen Abwasserkanal trainiert werden. Dabei rutschte ein Feuerwehrkamerad beim Einstieg in einen Kanalisationsschacht, unter der Verwendung von umluftunabhängigen Atemschutz von einer Trittstufe ab. Bedingt durch die Verwendung von Persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA), in diesem Fall Auffanggurt sowie automatisches Höhensicherungsgerät, wurde ein Absturz aus 3-5 m Höhe verhindert. Als Beinaheunfall begünstigender Faktor wird die eingeschränkte Bewegungsfreiheit genannt. Das Höhensicherungsgerät war nach dem Beinaheunfall ablegereif.

FACHKOMMENTAR

Grundsätzlich wird das Retten aus Schächten, Behältern, Silos und engen Räumen nicht hinreichend durch die einschlägigen Dienstvorschriften der Feuerwehren erfasst. Dieses Aufgabenfeld fällt in den Tätigkeitsbereich von Einheiten der Speziellen Rettung aus Höhen und Tiefen (SRHT). Bei Ausbildung und Schulung sind unter anderem die Empfehlungen der AGBF zu beachten. Folgend werden einige Sicherheitsrelevanten Punkte aus der Beinaheunfallbeschreibung aufgearbeitet.

Kombination von PSA:

Ob das Atemschutzgerät nach dem Sturz noch funktioniert hat, ist der Fallbeschreibung nicht zu entnehmen. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass gemäß § 2 Abs. 3 PSA-BV bei Parallelverwendung von PSA darauf zu achten ist, dass sich diese nicht gegenseitig negativ beeinflussen. Eine Konkretisierung findet sich in 7.2.2 DGUV Regel 112-198 „Benutzung von persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz“. Hier wird angemerkt, dass eine vom Hersteller konfektionierte Konfiguration bei der Verwendung von Atemschutzgerät und PSAgA zu bevorzugen ist, um z.B. dem Abriss von Steckverbindungen vorzubeugen (vgl. IFA Fallversuche).

Bewegungsfreiheit:

Gesondert zu betrachten ist die eingeschränkte Bewegungsfreiheit, welche als Beinaheunfall begünstigender Faktor beschrieben wurde. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 PSA-BV muss die PSA „[…] für die am Arbeitsplatz gegebenen Bedingungen geeignet […]“ sein. Bei dem Einstieg in umschlossene Räume ist die lichte Weite von Einstiegsöffnungen zu beurteilen. Bei einer Einstiegsweite von unter 0,8m ist darauf zu achten, dass Rettungsmaßnahmen wirksam durchgeführt werden können (vgl. 5.5.1 DGUV Regel 103-003 „Arbeiten in umschlossenen Räumen von abwassertechnischen Anlagen“). In 4.3.5.15.2 DGUV Regel 212-190 „Klassifizierung und Auswahl von Atemschutzgeräten nach ISO-Standards“ wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass bei Arbeiten in engen Räumen besondere Anforderungen an die Mobilität gestellt werden und somit bei der Auswahl des entsprechenden Atemschutzgerätes beachtet werden muss. Somit ist auf den Anwendungsfall spezifisch zu prüfen, ob der klassische Pressluftatmer der Feuerwehr geeignet ist oder ob auf Alternativen beispielsweise einen an der Hüfte getragenen Pressluftatmer mit Anbindung an ein Druckluftschlauchgerät zurückgegriffen werden muss. Hierbei handelt es sich aber ausdrücklich nicht mehr um ein Standardszenario und solche Geräte sind in den Feuerwehren häufig nicht vorhanden.

Einstiegverfahren:

Weiterführend ist das Einstiegsverfahren so zu wählen, dass eine schnelle Rettung jederzeit möglich ist (vgl. 5.3.2 DGUV Regel 103-003). Somit ist bei der feuerwehrspezifischen Art des Einstieges (Dreibein nach EN 795 oder DLK mit entsprechenden Anschlagpunkt) vorzugsweise ein kombiniertes Höhensicherungsgerät mit Rettungshubeinrichtung (vgl. 7.1 DGUV Regel 112-199 „Benutzung von persönlicher Absturzschutzausrüstungen zum Retten“) oder ein Abseilgerät mit Hubeinrichtung anzuwenden. Hierbei sind die herstellerspezifischen Angaben und Limitationen zu beachten.

Hygiene:

In Abwassertechnischen Anlagen ist mit einer Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe (z.B. Viren, Bakterien, Parasiten) zu rechnen (vgl. DGUV Regel 103-603 „Branche Abwasserentsorgung). Eine Infektion ist durch geeignete Maßnahmen auszuschließen. So ist es z.B. notwendig eine Kontaminationsverschleppung auszuschließen und eine angemessene Dekontamination an der Einsatzstelle (z.B. Hände waschen) bereit zu stellen. Bedingt durch ein Vorkommen von Aerosolen ist hier das Tragen von Atemschutz die richte Wahl.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Rettung aus Schächten, Behältern, Silos und engen Räumen hohe Anforderungen an die Feuerwehr stellt. Die sichere Durchführung ist lediglich über eine Spezialausbildung (SRHT) und entsprechendes Material zu gewährleisten.

Dieses Fallbeispiel beruht auf anonymen Schilderungen. Hier gegebene Handlungsempfehlungen befreien nicht von der Pflicht zur Beachtung der Unfallverhütungsvorschriften und des sicherheitstechnischen Regelwerks.

bottom of page