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FALL:

Übungen im Gleisbereich

EREIGNIS

Es sollte mit einer benachbarten Feuerwehr ein Übungsdienst zum Thema „Böschungsbrände“ abgehalten werden. Als Übungsszenario diente eine Nebenbahnstrecke, welche von 6 Zügen täglich genutzt wird. Die Strecke ist eine eingleisige Nebenbahn mit Werkanschluss und Kopfbahnhof und versorgt ein angeschlossenes Werk mit Material. Auf der Strecke verkehren ausschließlich Güterzüge ohne veröffentlichten Fahrplan, mit einer Höchstgeschwindigkeit von 30 Km/h. Die Triebfahrzeugführer führen die Züge "auf Sicht".

Zur Abarbeitung der Übung war es Notwendig, die Strecke zu betreten. Der Übungsleiter meldete die Übung nicht beim Schienennetzbetreiber an. Die Übung erfolgte somit an einer nicht für den Bahnverkehr gesperrten Strecke. Als einzige Sicherungsmaßnahme stellte der Übungsleiter 2 Streckenposten auf.

Die eingesetzte Mannschaft wurde im Vorwege nicht auf die Gefahren und das richtige Verhalten im Gleisbereich eingewiesen. Die eingeteilten Streckenposten hatten darüber hinaus keine Kenntnisse über die im Gleisbereich notwendigen Signale. Ob der Sicherheitsabstand von Streckenposten zur Übungsstelle ausreichend war, kann nicht beurteilt werden. Ca. 90 Minuten nach Übungsende befuhr ein Zug die Strecke.

FACHKOMMENTAR

Gleisanlagen und eisenbahntechnische Einrichtungen stellen Eisenbahninfrastrukturanlagen und somit Verkehrswege dar. Während bei Straßen für PKW der Baulastträger und somit der bauliche aber auch sicherheitstechnische Verantwortliche für die jeweilige Straße die Kommune, der Landkreis, das Land oder der Bund ist, so ist für die meisten Verkehrswege der Bahn die Deutsche Bahn (DB) zuständig. Es gibt allerdings auch Strecken, die privatwirtschaftlich betrieben werden. Grundsätzlich muss man in Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU = Betreiber der Schienen) und Eisenbahn-verkehrsunternehmen (EVU) unterscheiden. So gehört ein Schienenabschnitt zwar einem EIU, es können jedoch mehrerer EVU den Schienenabschnitt nutzen.

Auch wenn die Aufgabe der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr auch an Bahnanlagen der örtlich zuständigen Feuerwehr obliegt, so muss dennoch zu Beginn eines Einsatzes oder einer Übung den verantwortlichen Einsatzkräften bekannt sein, wer für den Schienenabschnitt zuständiges EIU ist, die notwendigen Auskünfte erteilen und ggf. Maßnahmen einleiten kann.

Einsätze in Bahnanlagen sind für die Feuerwehr nicht alltäglich und bergen besondere Gefahren. Die DB hat daher für Einsatzkräfte die Unterlage „Hilfeleistungseinsatz im Gleisbereich der DB AG“ erstellt. Ziel der Unterlage ist es, Einsatzkräften die Besonderheiten bei Eisenbahnanlagen zu erläutern und sie hinsichtlich eines sicheren Vorgehens zu schulen. Auch wenn sich die Unterlage in erster Linie auf die Anlagen der DB bezieht, so kann sie dennoch auch für Schienenabschnitte privater Betreiber angewandt werden. Gegebenenfalls müssen hier zwischen Betreiber und Feuerwehr zusätzliche Abstimmungen getroffen werden.

Zu Beginn weist die Unterlage daher auf folgendes hin: „Anders als im Straßenverkehr können im Bereich der Gleisanlagen jedoch besondere Situationen und Gefährdungen die Einsatzkräfte entstehen, die diesen nicht bekannt sind und die sie auch nur schlecht einschätzen können. Ursache hierfür ist, dass das Verkehrssystem Eisenbahn andere Merkmale und andere Betriebsabläufe aufweist als das Verkehrssystem Straße, das jedem Feuerwehr- und Rettungsdienstangehörigen als Autofahrer bekannt ist. […] Erforderlich ist hingegen zwingend, das Wissen um das Verkehrssystem Bahn zu erweitern und zu vertiefen. Das schließt ein, dass die Möglichkeiten und Leistungen der Bahn für den Ereignisfall bekannt sind und die Melde- und Informationswege eingehalten werden.“

Diese Aussage verdeutlicht, dass man nicht ohne weiteres und vor allem nicht ohne Absprache mit dem Betreiber Bahnanlagen betritt. Es muss daher im Rahmen der Einsatz- und Übungsplanung bekannt sein, wer Schienenwegbetreiber ist und wie dieser erreichbar ist.

Die größten Gefahren im Schienenverkehr gehen entweder von sich bewegenden Fahrzeugen (Zügen) oder der Oberleitung beziehungsweise Stromschiene aus. Die Besonderheiten der Eisenbahnfahrzeuge (Züge) sind vor allem, dass sie spurgebunden sind und Hindernissen nicht ausweichen können, hohe Geschwindigkeiten haben und vor allem „leise“ angefahren kommen. Die größte Gefahr für Personen ergibt sich daher im Gleisbett. Es ist daher ein einsatztaktischer Grundsatz, dass sich Einsatzkräfte erst im Gleisbereich (direkter Gleisbereich plus 3 Meter Sicherheitsabstand zu beiden Seiten) aufhalten dürfen, wenn der Fahrbetrieb eingestellt und dieses rechtssicher bestätigt wurde.

Auch wenn es sich im beschriebenen Fall um ein kaum genutztes und privates Nebengleis gehandelt hat, so hätte die Absprache mit dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) und die Sperrung des Gleises erfolgen müssen.

Die Handlungsanweisung der Bahn führt darüber hinaus weitere Anforderungen auf, die beim Betreten der Gleisanlage zu beachten sind:

- Gleisanlagen nur betreten, wenn es unbedingt notwendig ist. Müssen entferntere Bereiche erreicht werden, möglichst neben und nicht auf den Gleisen laufen.

- Nicht ablenken lassen

- Nicht auf Schienenköpfe treten

- Weichen meiden. Weichen können sich plötzlich bewegen und Füße einklemmen

- Komplette Einsatzschutzkleidung (plus ggf. zusätzliche Warnkleidung) tragen

- Sind Oberleitungen vorhanden, müssen zusätzlich Schutzabstände zu spannungsführenden Teilen eingehalten werden

Grundsätzlich sind Übungen in Gleisanlagen möglich. Sie müssen jedoch in Absprache mit dem EIU erfolgen. Hierbei kann auch gleich die Zusammenarbeit zwischen Feuerwehr und EIU geübt werden. Darüber hinaus müssen die voran genannten Punkte den Einsatzkräften vor Beginn der Übung bekannt sein.

Sicherungsposten oder auch Warnposten genannt, können abgestellt werden. Sie sind jedoch nur eine zusätzliche Sicherungsmaßnahme und ersetzen nie die Einstellung des Fahrbetriebes. Die Einstellung des Fahrbetriebes muss immer erfolgen.

Zur Festlegung einer geeigneten Position der Sicherungsposten ist der Anhalteweg des Zuges zu berücksichtigen. Bahnführende und Sicherungsposten der Feuerwehr müssen hierzu über die notwendigen Signale zum Stoppen eines Zuges informiert sein, falls eine Beräumung der Strecke bei herannahendem Zug nicht möglich ist. Auch könnte eine Übung Schäden an der Gleisanlage verursachen, die ein Stoppen des Zuges notwendig erscheinen lässt. Oft verfügt die Feuerwehr nicht über entsprechende Warneinrichtungen wie Signalhorn und Fahnen. Eine Warnung der eigenen Einsatzkräfte über den Einsatzstellenfunk ist hier nicht ausreichend. Alle Feuerwehrangehörigen sind vor Übungsbeginn über die Verhaltensweisen im Gefahrfall zu unterweisen. Hierbei sind die elementaren Fragen zu klären:

- Wann darf das Gleis betreten werden?

- Wann muss das Gleis verlassen werden?

- Wie kann der Zug gestoppt werden, wenn das Gleis nicht verlassen werden kann?

Dieses Fallbeispiel beruht auf anonymen Schilderungen. Hier gegebene Handlungsempfehlungen befreien nicht von der Pflicht zur Beachtung der Unfallverhütungsvorschriften und des sicherheitstechnischen Regelwerks.

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