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FALL:

Schachtdeckelöffnung an überspülter Straße

EREIGNIS

Bei einer Einsatzlage wurde die Feuerwehr zu einem Bach gerufen, der in einen Fluss entwässert. Der Bach hat kurz vor einer querenden Bundesstraße eine Einlauföffnung in ein Rohr, durch das der Bach unter der Bundesstraße durchgeleitet wird. Die Einlauföffnung in das Rohr war durch Geröll zugesetzt

In Folge dessen trat der Bach über die Ufer und überspülte die Straße mit einer Höhe von 25[nbsp]cm und starker Querströmung zur Fahrbahn der Bundesstraße.

Ein Räumen des Einlaufs war mit den vorhandenen Gerätschaften nicht möglich.

Im Bereich der Überspülung lag ein runder Schachtdeckel (Durchmesser ca. 800 mm). Nach Aussage eines ortskundigen anwesenden Feuerwehrkameraden, handelte es sich um den Wartungszugang für den unter der Straße verlaufenden Kanal des Baches. Dieser sollte unterhalb des Deckels mehrere Meter senkrecht abfallen und dann schräg auf den Grund des größeren Flusses entwässern. Zum Durchmesser des Kanals waren keine genauen Informationen vorhanden.

Durch die verantwortliche Führungskraft wurde nach Beratung mit dem ortskundigen Kameraden entschieden, den Schachtdeckel zu entfernen und den Wartungszugang als Einlauf zu nutzen. Hierzu wurden zwei Feuerwehrkameraden mit Wathose ausgerüstet und mittels Feuerwehrleine und Feuerwehrhaltegurt durch zwei weitere Feuerwehrangehörige "gesichert". Die beiden Feuerwehrangehörigen begaben sich zum Schachtdeckel und entfernten diesen mittels Schachthaken, wobei sie durch die dann in den Schacht verlaufende starke Strömung in Richtung des Schachtes gezogen wurden, jedoch nicht in diesen stürzten.

Ein noch vor Einsatz der beiden Feuerwehrangehörigen mehrfach ausgesprochener deutlicher Widerspruch einer anderen anwesenden Führungskraft wurde ignoriert.

FACHKOMMENTAR

Technische Hilfeleistungen nach Unwettern gehören zu häufigen Einsatzszenarien für Feuerwehren. Hierbei werden Feuerwehren auch immer wieder an über die Ufer getretenen Bächen und Flüssen eingesetzt. Durch die Wassermassen und die Fließgeschwindigkeit ergeben sich hierbei Gefährdungen, die berücksichtigt werden müssen.

Bei einem Hochwasser 2016 kamen bei einem ähnlichen wie dem hier aufgeführten Einsatz zwei Feuerwehrangehörige ums Leben. Beide wurden von der Strömung mitgerissen und in einen Schacht gezogen.

Gerade an Schacht- und Kanaleinläufen kommt es zu sehr hohen Strömungen, in denen man sich nicht mehr halten kann.

Aus genannten Gründen ist zunächst zu klären, ob und wie die Feuerwehr tätig werden kann und ob das direkte Beheben der Überschwemmungsursache möglich und vor allem notwendig ist. Unter Umständen muss die Straße so lange gesperrt werden, bis entweder das notwendige technische Equipment vorhanden ist oder die Wassermenge und Fließgeschwindigkeit soweit zurückgegangen sind, bis ein sicheres Arbeiten möglich ist.

Im genannten Fall wurden zwei Feuerwehrangehörige mit Wathosen ausgestattet. Wathosen dienen dazu, bis zur Hüfte oder Brust trocken in stehenden Gewässern ohne Strömung zu arbeiten.

Trägt man eine Wathose in stehenden Gewässern und taucht mit dem Oberkörper ein, so besteht aber die Gefahr, dass Wasser in die Hose einläuft und durch den Auftrieb der Luft in der Hose die Beine an die Wasseroberfläche auftreiben. Hierbei den Oberkörper über Wasser zu halten ist schwer. Beim Einsatz auf oder im Wasser muss daher immer zusätzlich zur Wathose eine Rettungsweste der Stufe 275 getragen werden.

Stürzt oder knickt man in fließenden Gewässern mit einer Wathose um, so besteht die Gefahr, dass sich die Hose wie ein Sack füllt und der Strömungskraft ausgesetzt wird. Der Träger wird somit von der Strömung mitgerissen. Wird der Träger oder die Trägerin der Hose hierbei von einer Leine gehalten, bewirkt das, dass der Träger oder die Trägerin mit dem Oberkörper unter Wasser gezogen wird, während die Beine wegen des beschriebenen Auftriebs nach oben auftreiben. Bisherige Unfälle haben darüber hinaus gezeigt, dass ein Halten der mitgezogenen Einsatzkräfte so gut wie nicht möglich ist. Dadurch wird die Haltemannschaft zusätzlich gefährdet. Bei sehr geringer Strömung muss eine unter Zug lösbare Sicherungsleine am Sicherungsgurt oder Verwendung von Schnelltrenneinrichtungen verwendet werden. In stark fließenden Gewässern dürfen keine Wathosen eingesetzt werden.

Der geschilderte Fall zeigt noch einmal eindrucksvoll, dass zunächst abzuklären ist, ob ein Eingreifen der Feuerwehr notwendig ist und wenn ja, abzuklären ist, welche Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Es ist der Weg zu wählen, der die geringste Gefahr für die Einsatzkräfte darstellt.

Ebenso zeigt der Fall auch, dass es beim Einsatz der Wathose immer noch erhebliche Unkenntnis hinsichtlich des Einsatzzwecks und den Einsatzgrenzen der Hose gibt.

Dieses Fallbeispiel beruht auf anonymen Schilderungen. Hier gegebene Handlungsempfehlungen befreien nicht von der Pflicht zur Beachtung der Unfallverhütungsvorschriften und des sicherheitstechnischen Regelwerks.

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